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Rettungspaket mit Spätfolgen

Donnerstag, 15. Januar 2009
Hans-Werner Sinn (Ifo): Warnung vor „beträchtlichen Nebenwirkungen“ der steigenden Staatschulden. Industrienationen wie Deutschland nicht vor Debakeln gefeit, wie sie beispielsweise das insolvente Island derzeit erlebt. Der Präsident des Münchener ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Prof. Hans-Werner Sinn, hat sich in die Debatten um die Staatsneuverschuldung in Deutschland und die Konstruktion des Bankenrettungsplans eingeschaltet. „Der muss unbedingt überarbeitet werden“, sagt der 60-jährige Wirtschaftswissenschaftler im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin €uro, Ausgabe 2/2009, die am 21. Januar erscheint.

Der Kardinalfehler des deutschen Bankenrettungsplans sieht Sinn in der Freiwilligkeit. „Wer Manager mit Gehaltskürzungen bestrafen will, falls sie Staatsgeld annehmen, muss sie zur Annahme zwingen“, sagt er. Niemand lasse sich freiwillig bestrafen, auch Bankvorstände nicht. Banken, die angeschlagen, aber nicht k. o. sind, verzichteten lieber auf Staatsgelder und reduzierten ihre Kreditvergabe proportional zum geschrumpften Eigenkapital. „Dies ist das Rezept für eine Kreditklemme.“

Sinn schlägt vor, das englische System zu kopieren: „Dort muss im Verhältnis zu den Ausleihungen der vergangenen vier Jahre eine bestimmte Menge Eigenkapital vorgewiesen werden. Wer sich dieses Geld nicht am Markt beschaffen kann, muss es vom Staat annehmen. Bevor man Rettungsfonds zur direkten Kreditvergabe des Staates an die Firmen auflegt, sollte man es so machen. Staatliche Instanzen können nicht entscheiden, wer das Geld am besten verwerten würde.“

Der ifo-Chef fordert zudem neue, striktere Regeln für die Banken: „Am wichtigsten ist, dass sie gezwungen werden, mit mehr Eigenkapital zu arbeiten.“ Auch Zweckgesellschaften im Ausland müssten im Inland mit Eigenkapital unterlegt werden. Zudem dürfe man nicht zulassen, dass die Banken ihre Eigenkapitalquoten künstlich hochrechnen, indem sie Teile ihrer Schulden mit null Risiko bewerten.

In Bezug auf die steigende Staatsverschuldung warnt Sinn vor allem davor, dass der Staat die Ansprüche der Bürger gegen die Renten- und Krankenversicherungen „eines Tages“ nicht mehr erfüllen kann. „Hier reden wir von knapp sieben Billionen Euro oder 270 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das kann große Probleme bringen.“ Und die derzeit geplante Neuverschuldung würde das Problem nicht lindern.

An die Regierung appelliert er: „Wir sollten den Keynesianismus nicht nur heute bei unseren Ausgabenprogrammen, sondern auch später bei der Schuldentilgung ernst nehmen.“ Der Anstieg der Staatschulden könne nicht ewig so weitergehen. Denn die „Nebenwirkungen“ seien beträchtlich. „Langfristig müssen wir neue Schäden für die Volkswirtschaft befürchten.“ Sinn mahnt, dass auch Industrienationen wie Deutschland nicht vor Debakeln, wie sie beispielsweise das insolvente Island derzeit erlebt, gefeit seien.

Inflationsgefahren sehe er kurzfristig nicht. Langfristig würden Staatsschulden allerdings immer Inflationsgefahren bergen, weil der Staat einen Anreiz hätte, sich der Schulden durch Inflation zu entledigen. Sinn verteidigt in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB), die der Preisstabilität verpflichtet ist. „Man weiß aber nicht, was noch kommt. Der französische Präsident Sarkozy führt ja einen Feldzug gegen die Unabhängigkeit der EZB. Je mächtiger er wird, desto größer werden die langfristigen Inflationsgefahren in Europa.“

Angesprochen auf die Kritik von Politikern, die Ökonomen in Deutschland hätten die aktuelle Finanzkrise nicht vorausgesehen und würden die Konjunkturentwicklung ständig falsch prognostizieren, antwortet Sinn: „Den Politikern werfe ich umgekehrt vor, dass sie den Ökonomen selten wirklich zuhören, sondern herausfiltern, was sie hören wollen.“ Er gibt zu, dass ihn die Kritik „frustriert“. Sinn wörtlich: „Man sucht jetzt Sündenböcke, beschimpft Ökonomen als neoliberal und ignoriert, dass die Neoliberalen im Gegensatz zu den Paläoliberalen, also den Altliberalen, eine regulierte Wirtschaft wollen! Allein das beweist, mit wie viel Unkenntnis die öffentliche Diskussion geführt wird.“

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.mmnews.de